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„Wir sind auf dem Kurs zur totalen, kompletten Zerstörung dieses Planeten als Lebensraum für die Menschen!“

Erstellt von Isabel, Isabell | | Der Rest.

Sagt Julia Förster von der Bürgerinitiative „Leinemasch bleibt“ im Interview mit Isabel und Isabell

Frage: Welche Aktion fanden Sie innerhalb der Initiative „Leinemasch bleibt“ bisher am eindrucksvollsten?

 

J. Förster: Also auf jeden Fall diese Verbindung von der großen Mahnwache und der Besetzung, wobei die Besetzung ja nicht wirklich im engeren Sinne unsere eigene Aktion ist, sondern diese nur unterstützt. Und die große Mahnwache hier zu haben, mit dem Küchenzelt, dem Materialzelt und den vielen kleinen Zelten, dass diese Mahnwache immer besetzt war, das war einfach total cool. Dass einfach auch so viele Menschen immer da waren und das so krass unterstützt haben und dass Menschen, die hier AnwohnerInnen waren, vorbeikamen. Manche regelmäßig und morgens einfach immer ihre Kanne Kaffee mitgebracht haben für uns. Das war toll.

 

Frage: Ab wann würden Sie Proteste als nicht mehr friedlich beurteilen?

 

J. Förster: Als nicht mehr friedlich? Also, schwierige Frage. Wir haben ja einen Aktionskonsens auf unserer Homepage. Das heißt, alle, die sagen: „Wir machen das im Namen von ‚Leinemasch bleibt‘“, müssen sich zu diesem bekennen. Und da ist ganz klar formuliert: Wir sind immer deeskalativ, von uns geht keine Gefahr für Menschen aus, wir schädigen keine Menschen, und so weiter. Das ist deshalb friedlich für mich.

 

Frage: Welche Maßnahmen haben Sie vor durchzusetzen, wenn das Versprechen von Verkehrsminister Lies abläuft? (Das Versprechen besagt, dass bis Oktober 2023 keine weiteren Rodungen stattfinden.)

 

J. Förster: Also wir sind ja jetzt im Sommer einfach immer noch mit unserer Forderung unterwegs und damit zu erklären, dass das was geplant ist, gegen alle Klimagesetze, gegen das Recht der jungen Generation und gegen den globalen Süden verstößt. Und wir werden halt gucken, was dann im Oktober dran ist, wenn trotzdem gerodet werden soll. Wir werden da nicht faule Kompromisse eingehen.

 

 

Frage: Wie sehr vertrauen Sie noch auf die Versprechen der Politik nach den Geschehnissen des 5. und 6. Dezember letzten Jahres? (Am 5. und 6. Dezember letzten Jahres wurde der östliche Teil des Südschnellweg-Damms in Döhren gerodet. Dieser Bereich war jedoch zuvor von Aktivisti und dem Konfliktmanagement der Polizei als geschützte Zone ausgehandelt worden.)

 

J. Förster: Ja, das ist eine irgendwie komplizierte Sache gewesen. An dem Tag hat die Polizei in Rücksprache mit der Landesstraßenbaubehörde zugesagt, dass gewisse Bäume nicht mehr gerodet würden. Und am nächsten Tag wurden diese Bäume gerodet und die Polizei hat bestätigt: „Nee, es gab anderslautende Absprachen“, die Landesstraßenbaubehörde hat gesagt: „Nö, hätten wir gar nicht geben können, die Zusagen“, und dann ist das irgendwie so zwischen „die haben offenbar nicht miteinander geredet“ versickert. Das stärkt das Vertrauen nicht wirklich, aber das hat es an anderen Stellen ja auch schon gegeben und auch im größeren Maßstab. Und das in Lützerath ist danach ja eigentlich nochmal so viel größer ein Beispiel dafür, wie wenig sich man darauf verlassen kann, dass Dinge gut laufen.

 

Frage: Begegnen Sie in Ihrem Umfeld viel Unverständnis oder verstehen die Menschen Ihr Engagement und unterstützen Sie?

 

J. Förster: Also ich habe in meinem Umfeld tatsächlich keine Menschen, die es nicht verstehen. Hängt vielleicht auch ein bisschen von meinem Umfeld ab - es gibt glaube ich viele Menschen - was ich dann nicht verstehe - die das total wichtig finden, aber es nicht schaffen, sich selber mit zu engagieren. Aus welchen Gründen auch immer. Das finde ich dann manchmal ein bisschen rätselhaft. Und auch traurig.

 

Frage: Erhält die Bewegung „Leinemasch bleibt“ Unterstützung von anderen Klimaaktivismus-Bewegungen?

 

J. Förster: Ja (lacht). Ich glaube, wir sind mittlerweile eine große Familie. Könnte ich so sagen. Also hier vor Ort auf jeden Fall und im größeren Kontext versuchen wir ja auch uns solidarisch zu zeigen, auf vielfältige Weise.

 

Frage: Was ist für Sie das wichtigste Ziel bei Ihrem Protest?

 

J. Förster: (Überlegt.) Man würde ja jetzt normalerweise denken: Klar, dass die Leinemasch bleibt. Das ist auch wichtig, aber es gibt ja auch eigentlich so diesen Satz: Wenn die Leinemasch bleibt, aber der Gesamtwahnsinn weitergeht, dann hilft es ja letztlich auch nichts. Also eigentlich geht es darum, klar zu machen, dass wir hier gerade mit der Leinemasch so ein krasses Beispiel dafür haben, was schiefläuft. Und an diesem Beispiel einfach Menschen klar zu machen, dass dagegen etwas getan werden muss. Einfach zu warten und zu sagen: „Naja, die werden das schon irgendwie hinkriegen“, das funktioniert nicht. Und dass das dann einfach viele Menschen verstehen und sich globaler und größer für eine Zukunft engagieren.

 

Frage: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach Aktivismus für Klimaschutz, beziehungsweise wie viel können Sie als Aktivistin bewirken?

 

J. Förster: Ich habe neulich so ein Zitat gelesen, das fand ich ganz gut. Das hieß: „Eine Besetzung verhindert niemals eine Rodung. Aber eine Besetzung schafft die Öffentlichkeit und den Raum, um nach Lösungen zu suchen und verschafft dem auch Dringlichkeit.“ Und ich glaube, das ist so das Einzige, was funktioniert. Weil tatsächlich haben Medien erst relevant berichtet, nachdem dann einmal probeweise ein Baum besetzt war und danach hier die Besetzung war. Das ist so, was alle dann irgendwie verstehen, dass Menschen wirklich auch zu Mitteln greifen, bei denen man sehr viel auf eigenen Komfort und freie Zeit und alles Mögliche verzichtet, um klar zu machen: Darum geht’s jetzt, das hat Priorität in meinem Leben, weil es eben so wichtig ist. Und die Schraube hat sich jetzt ja schon hochgeschraubt: Demos mit 1,4 Mio. Menschen in Deutschland haben einfach gezeigt, dass es nichts hilft. Und deshalb müssen Menschen auch deutlicher klar machen, mit einer klaren Priorisierung: „Ich setze mich dafür ein, denn es gibt keine Alternative, als genau jetzt nach dem Recht, den Gesetzen und Abkommen zu handeln. Und wenn ihr das nicht tut, müssen wir da immer wieder drauf hinweisen, dass das nicht geht.“

 

Frage: Was würden Sie sich von der Gesellschaft wünschen? Was sollte die Bevölkerung und jede Einzelperson tun?

 

J. Förster: Politisch werden. Selber denken. Nicht glauben, dass es gut wird. Es wird nicht gut. Wir sind auf dem Kurs zur totalen, kompletten Zerstörung dieses Planeten als Lebensraum für die Menschen. Das hört sich immer pathetisch an, deshalb traut man sich das nicht zu sagen, aber es ist Fakt. Und wenn Menschen jung sind, leben sie, schlittern sie in diese Zerstörung. Und es ist total uncool, auch als Lehrer:in, glaube ich, das im Unterricht irgendwie zuzulassen. Weil, was soll man denn den Menschen da erzählen? Lernt für‘s Abi, macht euren Durchschnitt noch ein bisschen besser und dann könnt ihr was studieren und danach ist alles in Schutt und Asche? Das ist ja irgendwie auch keine Botschaft, die man Menschen weitergeben will. Aber es hilft nur jetzt sofort zu sagen: „Okay - So nicht! Es gibt diese Zukunft nicht, auf die Menschen vorbereitet werden in Schulen!“ Die gibt’s einfach nicht! Ich habe auch eine Tochter, die ist auch in der Schule, und es ist einfach elend. Und das was getan werden muss, ist so groß und so undenkbar eigentlich, dass alle lieber weggucken. Bis zu dem Moment, wo es wirklich nicht mehr zu ändern ist und dann einfach auch viel zu spät ist.

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Julia Förster